Der aktuell die Schlagzeilen beherrschende fürchterliche Vergewaltigungs – und Mordfall in Freiburg gibt aus meiner Sicht Anlass zu Anmerkungen. Dabei geht es mir – was nahe liegen könnte – nicht so sehr um die Verteidigersicht, obwohl dies natürlich für mich als Strafverteidiger immer ein interessantes Feld ist. Mir geht es in dem heutigen Beitrag allerdings mehr um den Kreis der unbegleiteten Minderjährigen als Bestandteil der Flüchtlingsthematik.
In einer Nebentätigkeit, der ich ehrenamtlich nachgehe, bin ich Vorstandsvorsitzender einer Privatschule. An dieser Privatschule gibt es eine Flüchtlingsklasse, die aus unbegleiteten männlichen Minderjährigen besteht. Wir haben dort gute Erfahrungen gemacht, auch wenn es natürlich auf allen Seiten Skepsis gab, als dieses Projekt vor einem Jahr begann und natürlich auch ein gewisser Grad an Unsicherheit, weil man nicht wissen konnte, wie all dies für die betroffenen Kinder und Jugendlichen, sowohl die Flüchtlinge als auch die bereits vorhandenen Schülerinnen und Schüler, verlaufen würde.
Die Erfahrungen waren und sind positiv und zwar deshalb, weil entgegen dem auf diese Gruppe verwandten Begriff unbegleitete Minderjährige diese eben durch die Betreuung in der Privatschule nicht mehr unbegleitet sondern gerade begleitet sind.
Ich kenne die Einzelheiten des Freiburger Falls nicht, aber es liegt doch nahe, dass es sich um einen jungen Mann handeln könnte (wohl gemerkt: wenn er der Täter ist) der eben nicht oder jedenfalls weniger begleitet ist (ich schließe dies daraus, dass er sich ohne weiteres in der Stadt bewegen konnte) und damit ist er möglicherweise ohne den erforderlichen Support dem ihm nicht geläufigen Leben in einem freiheitlichen westlichen Land ausgesetzt. Dies entschuldigt in keiner Weise die Begehung von Straftaten, auch wenn all dies natürlich in einem Strafverfahren eine Rolle spielen wird, aber vor dem Hintergrund der populistischen, zumeist an der Flüchtlingsproblematik aufgehängten aktuellen politischen Debatte müssen die Vernünftigen in diesem Lande differenzieren. Man mag für oder gegen diese (oder jede) Form der Zuwanderung sein und man mag auch darüber streiten, wo möglicherweise Aufnahmegrenzen liegen, aber all dies sollte sich in einem vernünftigen politischen Diskurs abspielen. Diese Themen will ich an dieser Stelle – ich bekenne mich allerdings ausdrücklich dazu, stolz darauf zu sein, dass wir in dieser Form hilfsbedürftige Menschen aufnehmen – nicht weiter vertiefen.
Mir ist es hingegen aus eigener Anschauung wichtig, dass darüber hinaus differenziert wird und die unbegleiteten Minderjährigen vor dem Hintergrund der Freiburger Geschehnisse nicht vollkommen undifferenziert betrachtet werden. Es handelt sich um Jugendliche, die aus ihrem jeweiligen Umfeld (auch an dieser Stelle geht es dann nicht um das Vorliegen von Asylgründen) herausgerissen sind und mit dem Leben und dem Umfeld, auf das sie treffen konfrontiert sind und lernen müssen damit umzugehen. Dazu bedürfen sie unserer Hilfe (und erforderlichenfalls natürlich auch der Sanktionierung), aber sie verdienen keinesfalls die jetzt zu erwartende Reaktion der üblichen Verdächtigen aus dem Bereich der Rechtspopulisten, dass all dies einfach ein Flüchtlingsthema ist.
Es gilt daher immer noch und unbedingt: Wehret den Vereinfachern!
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